Thursday, March 1, 2012

Anatomisches Institut der Universität zu Köln



Vorsicht! Der folgende Text ist nichts
für schwache Gemüter. Lesen auf eigene Gefahr.

Auch ich habe am Anatomischen Institut der Universität zu Köln gelernt.
Gestern las ich über die Mißstände, die ich hier nur aus der Presse zusammenfassen kann. Auch wenn ich lese, dass Mißstände über Jahrzehnte bestanden haben sollen, als Student bekommt man das einfach nicht mit.
Was ist also geschehen? Drei Leichen wurden in einem Kellerraum entdeckt, der seit 20 Jahren nicht mehr regelmäßig benutzt worden war. Die Identität der Körperspender ist unklar. Aktuell kann es keiner sagen. Schon das ist ein Mißstand sondergleichen, denn den Spender wird ein Begräbnis zugesichert. Zuvor waren 80 Leichen entdeckt worden, die aber in der Zwischenzeit beerdigt worden sind. Es sollen sich aber noch weitere Leichen in einem Raum befinden, der aus technischen Gründen, so die Recherche des Kölner Stadt-Anzeigers (KStA), nicht betreten werden kann. Dazu wäre ein Kran notwendig, der auch vorhanden ist, allerdings ist der TÜV abgelaufen, so dass er nicht benutzt werden kann. Aus Pietätsgründen ist der Keller aktuell verschlossen.
Ich erinnere mich, dass er auf dem Präpariersaal immer kühl war, aber wir präparierten auch immer im Winter, so dass dann ein Gebläse ausreichend war. Eine Klimaanlage habe es nie gegeben.
Es wird von verschimmelten Leichenteilen berichtet. Da die Leichen in Formalin gelagert werden, sollte das nicht geschehen, es sei denn, sie würden austrocknen. Wie das verhindert werden soll und in der Regel auch klappt, dazu später mehr.
2010 waren bereits Unstimmigkeiten aufgefallen. Es befanden sich mehr Leichen im Keller, als dies normalerweise üblich war. „Die Mitarbeiterin, die für die Bestattungen zuständig ist, hat schwerwiegende private Probleme“ (KStA). Es wurde damals angewiesen, pro Woche fünf Leichen zu bestatten; allerdings geschah dies nicht. Die Mitarbeiterin wurde dann von der Aufgabe freigestellt. Erst im Herbst 2011 erfuhr die Universitätleitung von den Mißständen. Im Januar 2012 werden die drei Leichen entdeckt, deren Identität nicht zugeordnet werden kann.
Professor Koebke, der Leiter des Anatomischen Instituts von 2002 bis März 2011 wurde am 23.02.2012 tot aufgefunden. Er hatte sich das Leben genommen, auf einem Spaziergang. Für Studenten und Kollegen unfassbar, denn sie haben ihn als engagierten Lehrer in Erinnerung.
Hier ist schon genügend Stoff für einen Kriminalroman zusammengekommen.
Der Zutritt zum Anatomischen Institut ist nicht frei. Das ist auch ohne Mißstände richtig so, denn es ist nicht jedermanns Sache, die Präparate in den Vitrinen anzuschauen. Studierende können dort selbstverständlich jederzeit hinein, um die Präpate zu studieren, so z.B. die Präparate von Föten, eine aufgeschnittene Schwangere mit Fötus in Epoxidharz eingegossen und weitere mehr. Auch als Arzt bin ich dort noch zu Fortbildungen, die allerdings nichts mit der Anatomie zu tun hatten, gewesen. Die Räumlichkeiten wurden also auch vom Fachpublikum zu anderen Zwecken genutzt.
Der Präpariersaal ist nun überhaupt nicht zugänglich außerhalb der praktischen Übung. Und auch das ist richtig so. Die Leichen werden von außen nach innen, Schicht um Schicht präpariert. Bei Ende des Seminars werden sie in Plastik eingehüllt, um das Austrocknen zu verhindern. Im Verlauf der Präparation wird die Leiche in Einzelstücke zerlegt, die in Wannen mit Formalinlösung werden. Geschieht dies nicht, trocknen diese Teile schnell aus und dann kann auch Schimmel auftreten. Die Wannen stehen an einer Seite des Präpariersaals und der unvermittelte Besucher könnte sich an Frankenstein Filme erinnert fühlen, wenn die Studenten ihr Präparat, ein Arm oder ein Bein oder den Kopf mit einem Haken aus der Wanne fischen und durch den Präpariersaal zu ihrem Arbeitsplatz tragen.
Verschiedendlich wurden Feiern zum Gedenken an die Körperspender organisiert, aber auch das war nicht regelmäßig der Fall.
Ich sehe das Problem der Anatomie darin, dass die Toten zur Sache werden, auch wenn vor dem Beginn des Präparierens auf die notwendige Pietät hingewiesen wird. Wie das zu lösen ist, weiß ich auch nicht zu sagen. Jetzt wird es in Köln erst einmal um Aufklärung gehen. Insbesondere hoffe ich, dass die Identität der Toten festgestellt werden kann. Vielleicht wird sich aus der Diskussion eine andere Form der Wissensvermittlung in der Anatomie entwickeln.


Weitere Informationen:
Kölner Stadt-Anzeiger: Tote in vergessenen Räumen Von Claudia Hauser, 29.02.12, 11:02h: http://www.ksta.de/html/artikel/1330296324284.shtml  
Anatomisches Institut in Köln / Selbstmord nach Chaos in der Anatomie? Von Hendrik Varnholt und Daniel Taab, 24.02.12,18:23h: http://www.rundschau-online.de/html/artikel/1330001198028.shtml
WDR Aktuelle Stunde (Video und Bild vom Präpariersaal): Suizid nach Chaos in der Anatomie / Uniklinik Köln in der Kritik http://www.wdr.de/tv/aks/sendungsbeitraege/2012/kw09/0227/anatomie_uniklinikkoeln2.jsp?pbild=1  


PS. OT: In der Physiologie war es während meines Studiums noch üblich, lebendeFrösche zu zerschneiden und „Versuche“ durchzuführen. Das hatte ich verweigert, da ich darin keinen Sinn sah. Ich solle jetzt keine Grundsatzdiskussion anfangen, sagte man mir, und ich brauche das auch nicht zu tun. Der damalige Leiter der Physiologie sagte mir noch etwas von Abhärten. Darauf hatte ich gerne verzichtet.

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