Monday, July 16, 2012

Fibromyalgiesyndrom - Informationen zum Krankheitsbild im Rahmen der Basistherapiegruppe


 
Fibromyalgiesyndrom




Informationen zum Krankheitsbild im Rahmen der Basistherapiegruppe, die auch die Inhalte der Patientenschulung „Fibromyalgiesyndrom“ der DGRh enthält. Auch die Ergebnisse der neuen, gerade veröffentlichten S3-Leitlinie der AWMF sind ausgewertet worden.






1. Zur Diagnose
Das Fibromyalgiesyndrom (FMS), oder kurz auch Fibromyalgie genannt, ist ein chronisches Schmerzsyndrom. Der Name besteht aus den Teilen Fibro-myo-algie Faser-Muskel-Schmerz. Das war der frühere Definitionsversuch der Erkrankung. Aber schon (?) beim Fibromyalgie-Symposium in Minden 2003 überlegte D. Pongratz, ob nicht das FMS nicht besser als Sonderform der somatoformen Schmerzstörung aufzufassen sei.


Wissenwertes
Die Diagnose wurde von Smythe und Moldofsky in den 1970iger Jahren vorgeschlagen. Betroffen sind 3,5 % der Bevölkerung / 5,5 % der 35-74jährigen [AWMF], wobei Frauen etwa achtmal häufiger als Männer z.B. bei uns behandelt werden; die Prävalenz weist mit 2-21:1 eine hohe Streubreite auf. Der Erkrankungsbeginn liegt zwischen 25 und 50 Jahren, aber auch hier ist Vorsicht geboten, die jüngste Patientin bei uns war 13 Jahre alt.
Sieht man sich verschiedene Erkrankungen von der Seite der Symptome an, so wird man Überlappungen für das FMS, die multiple chemische Sensitivität, das Golfkrieg-Syndrom, das chronische Müdigkeitssyndrom und weitere feststellen, die alle der Gruppe somatoformer Störungen zuzuordnen sind (körperliche Symptome ohne Nachweis eines Schadens). Völlig falsch wäre es, hinter diesen Störungen Hypochondrie oder Simulation zu vermuten. Die Schmerzen, die jemand beklagt und beschreibt, sind die Schmerzen, die jemand erleidet bzw. hat.
Ein Symptom zeigen fast alle Patienten mit FMS – die Schmerzen am ganzen Körper, der englische Fachausdruck lautet widespread pain (WSP), wobei anzumerken ist, dass nicht alle Menschen mit dem Phänomen WSP auch am FMS leiden.
Definition Schmerz: „Schmerz ist ein unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis, das mit aktueller oder potentieller Gewebeschädigung verknüpft ist oder mit Begriffen einer solchen Schädigung beschrieben wird.“ (International Association for the Study of Pain, 1979)


Schmerz in der Vorstellung von René Descartes
Man hatte vor etwa 350 Jahren bereits die Idee, dass Nervenbahnen aus der Peripherie (z.B. Fuß) über den Rückenmarkskanal bis zum Gehirn (also zentral) verlaufen. Das ist völlig richtig, aber noch viel zu ungenau und nicht komplett (jedes Modell stellt aber nur eine Annäherung dar). Wenn z.B. der Fuß dem Feuer zu nahe kommt, dann kommt es zum Schmerzreiz, der dem Gehirn gemeldet wird (Schmerzwahrnehmung).


Schmerz als komplexes Phänomen
Der Schmerz ist ein komplexes Phänomen. Die Schmerzwahrnehmung (Nozizeption) stellt nur einen kleinen Teil dar, Schmerzerleben, Leiden und Schmerzverhalten machen einen weitaus größeren Teil aus.
Das bio-psycho-soziale Schmerzmodell wird dem Phänomen Schmerz gerechter. Am Beispiel des peiripheren, nozizeptiven Schmerzes kann man verfolgen, was passiert. Eine Verletzung führt zu einer Änderungen im Gewebe, die einen Reiz auf die Schmerzrezeptoren ausübt, der wird zum Rückenmark weitergeleitet. Dort entstehen bereits erste Gedächtnisspuren. Nicht jeder Reiz wird weitergeleitet, es muss erst eine gewisse Schwelle überschritten werden; wir sprechen auch von einem Tormechanismus. Sobald der Schmerzreiz im Gehirn ankommt, wird er dort verarbeitet, z.B. als Stressreiz und Stressantwort, mit Ausschüttung von Endorphinen, affektiv und kognitiv. Dabei wirken Aufmerksamkeitsprozesse, Bewußtseinszustände, Stimmungslagen, Lernprozesse, Kontrollüberzeugungen und Selbstverbalisation auf das Erleben ein.
Es gibt aufsteigende und absteigende Nervenbahnen. Bei nozizeptiven Schmerz wird ein Reiz von peripher nach zentral, also aufsteigend, geleitet. Die ableitenden Bahnen beeinflussen z.B. die Schaltzellen im Bereich des Rückenmarks. Es werden dann entweder Substanzen produziert, die den Schmerzreiz verstärken, also das Tor offen halten, oder solche, die gerade das erschweren oder behindern. Man nimmt an, dass beim FMS gerade die Behinderung der Hinterhornzellen im Rückenmark eine wesentliche Rolle spielt, so dass auch harmlose Reize, etwa leichter Druck wie Streicheln als Schmerzreiz weitergeleitet werden. Wenn man Schmerzgesunde mit chronischen Schmerzpatienten vergleicht, so findet man eine verschobene Schmerzintensitätskurve. Wenn der Schmerzgesunde erst gerade beginnt Schmerzen zu empfinden, liegen sie beim Schmerzpatienten bereits in einem hohen Bereich. Ein anderes typisches Phänomen wird Allodynie genannt. Es sind dies sehr leichte Reize auf der Haut, die bereits zu Schmerzen führen.


Akuter und chronischer Schmerz
Akuter und chronischer Schmerz sind deutlich verschieden.



So groß die Akzeptanz der Umgebung für den akuten Schmerz ist, so gering zeigt sie sich beim chronischen Schmerz. Dabei ist der am akuten Schmerz Erkrankte sonst auch besser dran, die Schmerzen sind gut zu behandeln, ein gebrochener Knochen wird ruhiggestellt und schmerzt dann auch kaum mehr. Dem chronisch Schmerzkranken wird jedoch ein Anstellen, ein Simulieren, Übertreiben usw. unterstellt. Chronisch Schmerzkranke bekommen dann ein „Du siehst aber heute wieder gut aus!“ zu hören, wenn sie doch eigentlich vor Schmerzen ins nächste Holz beißen könnten.


Schmerzarten
Daniel J. Clauw stellte bei einem Vortrag auf dem Kongress der amerikanischen Gesellschaft für Rheumatologie 2010 in Atlanta dieses (sehr sinnvolle) Modell vor. Es handelt sich um eine mechanistische Charakterisierung von Schmerzen. Wichtig ist, dass diese Einteilung auch die Kombination verschiedener Schmerztypen beinhaltet, d.h. es ist kein ausschließendes sondern einschließendes Modell, beim individuellen Menschen kann jede Art der Kombination vorliegen. Den nozizeptiven oder peripheren Schmerz hatten wir bereits kennengelernt (Reiz des Nozizeptors). Neuropathische Schmerzen, auch Neuralgien genannt, entstehen durch Schädigung peripherer Nerven. Das kann auf die folgenden Weisen geschehen:
• mechanisch, z.B. bei Bandscheibenvorfall
• entzündlich, z.B. bei Herpes zoster
• metabolisch, z.B. bei Diabetes mellitus
• aktinisch, d.h. durch Strahlung, z.B. nach Bestrahlung im Rahmen der Krebstherapie
• chemisch, z.B. bei Verätzungen.
Hinzu kommt noch ein dritter Typ, der nicht-nozizeptive oder zentrale Schmerz. Dieser Schmerz ist durch eine zentrale Störung der Schmerzverarbeitung gekennzeichnet und führt zu Hyperalgesie (überschießender Schmerzstärke) und Allodynie (Schmerzen bereits bei leichtem Reiz, wie z.B. Streicheln, der nicht zu Schmerzen führen sollte).


Veränderung von Denkmustern
„We‘ve been looking for pain in all the wrong places.“ So Daniel J. Clauw in dem bereits angesprochenen Vortrag. Kein Stadium des chronischen Schmerzes korreliert mit dem nozizeptiven Input (z.B. Entzündung). Unsere Denkmuster und Therapiestrategien entstammen aber dem nozizeptiven Schmerz. Vielfach wurde ein Ungleichgewicht von Schmerzklagen und objektiven Befunden psychologischen Faktoren zugeordnet.


Klassifikatorische oder diagnostische Kriterien?



Die klassifikatorischen Kriterien sind nie als diagnostische Kriterien gedacht worden, allerdings wurden sie zunehmend dazu mißbraucht. Die Diagnose FMS war bereits gestellt, als man für Studien die Eigenschaften der Patienten für die Studiengruppen beschrieb. Die Diagnose kann auch ohne Drücken der Tenderpoints gestellt werden.
Prof. Dr. F. Wolfe, einer der Autoren der ACR Kriterien von 1990 intervenierte beim ACR Kongress 2005 in San Diego: „Don‘t take the ACR-Criteria to diagnose fibromyalgia“ [Nehmt nicht die ACR Kriterien umd die Diagnose Fibromyalgie zu stellen]. Und beim EULAR Kongress 2006 in Amsterdam wurde dies weitergeführt: “… rheumatologists may diagnose fibromyalgia in patients who do not satisfy the ACR criteria…” Katz RS, Wolfe F, Michaud K [Rheumatologen können Fibromyalgie auch bei Patienten stellen, die nicht die ACR Kriterien erfüllen].


Merkmale der Erkrankung
Zunächst einmal sind negative Merkmale, das heißt Ausschluß anderer Erkrankungen und das Fehlen von typische Befunden ausschlaggebend:
• keine Laborwertveränderungen im Routinelabor
• unauffällige bildgebende Verfahren (Ultraschall, Röntgen, CT, MRT, Szintigrafie)
• unauffällige Histologie / Elektronenmikroskopie (Gewebeuntersuchung)Ausgeschlossen sollten sein:
• Chronisch entzündlich rheumatische oder gastrointestinale Erkrankungen
• Schilddrüse / Nebenschilddrüse
• Vitamin D3 Mangel
• Myopathien
• Medikamente und Drogen

Ein wichtiges Merkmal ist die Schlafstörung. Der Schlaf ist häufig unterbrochen, nicht erholsam, zwischen verschiedenen Schafstadien wird hin- und hergewechselt, die Schlafarchitektur ist zerstört, die Tiefschlafphase fehlt vollständig, der REM-Schlaf kommt nicht zum richtigen Zeitpunkt, usw.


Es können weitere Beschwerden festgestellt werden:
• Angstgefühle
• Atembeschwerden
• Blasenbeschwerden
• Darmbeschwerden
• Depressive Verstimmung / Niedergeschlagenheit
• Gefühlsstörungen
• Herzbeschwerden
• Kältegefühl in Händen
• Kloßgefühl im Hals
• Konzentrationsstörungen
• Kopfschmerzen
• Magenbeschwerden
• Menstruationsbeschwerden
• Neigung zum Schwitzen
• Schlafstörungen
• Schluckstörungen
• Schwindel
• Vermehrte Müdigkeit
• Verminderte Leistungskraft


Folgende Kriterien sind aktuell gleichzeitig in Gebrauch:


Adaptiert nach AWMF-Leitlinie


In der Leitlinie wird auch versucht, einen leichten von einem schweren Verlauf zu unterscheiden, aber es bleibt unklar, wie die einzelnen Punkte zu gewichten sind und ob sie vollständig sind. Aktuell werden sie weder in Diagnostik und Therapie noch in der Begutachtung benutzt.


Somatische Befunde
Wichtig ist die Tatsache, dass somatische Befunde nachweisbar sind. Sie wurden bei Patienten mit Fibromyalgiesyndrom gefunden, aber sie sind nicht ausschließlich bei diesen Patienten zu finden, eignen sich also nicht für die Diagnosestellung. Sie können aber als Hinweis darauf angeführt werden, dass es sich beim FMS um eine Erkrankung handelt, die nicht nur eine Modeerscheinung ist, sondern die zu nachweisbaren Veränderungen führt:
• T102C-Polymorphismus des 5-HT2a-Rezeptorgens und weitere genetische Befunde
• Erhöhung von Substanz P im Liquor
• Störung im Serotoninstoffwechsel
• Störungen in der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (eine Regelachse zwischen Gehirn und Nebennieren)
• Enthemmte Antwort in der Messung evozierter Potentiale (EEG/Hirnstromkurve nach Schmerzreizen)
• fMNI – Vergrößerung sensorischer Kortex (Veränderungen im Gehirn, nachgewiesen in der Kernspintomografie)
• fMNI – Unterschiede in der Aktivierung der Areale der Schmerzverarbeitung (Kernspintomografie)
• Bei Frauen erhöhter Prolaktinspiegel und erniedrigter Oestrogenspiegel


Risikofaktoren für CWP / FMS
• Biologisch: Genpolymorphismen, Dysfunktion Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse
• Mechanisch: Zwanghaltungen, repetitive Bewegungen
• Psychisch: vermehrte Angabe körperliche Symptome und Krankheitsverhalten, niedrige gesundheits-bezogene Lebenqualität, Schafstörungen
• Kindheit: Hospitalisierung nach VU, Heimunter-bringung, Tod der Mutter, finanzielle Not [Quelle: AWMF-Leitlinie]
Weitere: Vergewaltigung, Mobbing ...
Die größte Risikoverstärung kommt durch erhöhtes Krankheitsverhalten zustande: das Risiko ist neunmal höher.


Gefährdung für eine Chronifizierung
Körperliche Befunde spielen nach aktueller Evidenzlage eine untergeordnete Rolle.
Psychosoziale Faktoren sind hingegen wichtige Vorhersagewerte:
• Schmerzbezogene Angst, Katastrophieren
• Depressivität
• Vermeidung körperlicher Aktivität
• Arbeitsplatzprobleme, geringe Arbeitszufriedenheit
• Rentenanliegen
• passive Behandlungserwartung


Zusammenfassend wirken Umwelt und genetische Faktoren zur Ausbildung einer Krankheitsdisposition, aus die durch Auslöser wie Stress, Schmerz, Belastung Symptome entstehen, die dann chronifizieren und zur Ausbildung des Krankheitsbildes FMS führen. Neben Verschlechterungsfaktoren/-phasen gibt es auch Verbesserungsfaktoren/-phasen. Es gilt nur weh von der Verschlechterung und hin zur Verbesserung zu kommen.


Flowchart für die Diagnose FMS
http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/041-004l_S3_Fibromyalgiesyndrom_2012-04.pdf  



2. Zur Therapie


Paradigmenwechsel
In den letzten 20 Jahren hat ein Paradigmenwechsel zum Fibromyalgiesyndrom stattgefunden.



Forschungsergebnisse
Im Jahr 2004 stellten W.R. Nielson und weitere in einer Studie fest, dass die folgenden Punkte mit weniger Schmerz vergesellschaftet sind:
(1) höhere Kontrollüberzeugung zum Schmerz,
(2) die Überzeugung, nicht behindert zu sein,
(3) die Überzeugung, dass Schmerz nicht Ausdruck von Zerstörung ist,
(4) verminderte Aufmerksamkeit gegenüber dem Schmerz,
(5) vermehrter Gebrauch von Sport/Bewegung,
(6) Unterstützung durch andere suchen,
(7) Aktivitäten dosiert einsetzen,
(8) Gebrauch von Selbstaussagen zur Bewältigung.(Nielson WR, Jensen MP.:Relationship between changes in coping and treatment outcome in patients with Fibromyalgia Syndrome. Pain. 2004 Jun;109(3):233-41. )


Man kann aus diesen Ergebnissen den Schluss ziehen, dass Therapien, die sich einer Verbesserung dieser Punkte annehmen, auch erfolgreicher sein werden, als Therapien, die dies nicht versuchen.


Wie kann der Arzt / Therapeut schaden?
Ärzte und weitere Therapeuten können auch schaden. Meist sind diejenigen, die das tun, sich gar nicht dessen bewußt, im Gegenteil, sie meinen zu helfen. Es ist dabei wie im Straßenverkehr, wenn Sie geblitzt werden, ist es egal, ob sie wissentlich oder versehentlich die Geschwindigkeitsbegrenzung überschritten haben. Hier also einige Beispiele:
• falsche ärztliche/therapeutische Führung
• Nachgeben aufgrund eigener Unsicherheit
• nicht ernst nehmen („Simulant“)
• Erkrankung als Lappalie abtun („wird schon wieder“)
• Hoffnung auf Medikamente machen (5-HT-Antagonisten)
• Diagnostik ausufern lassen („da muss doch was sein“)


Medikamente in der Therapie
Es wurden bereits viele Medikamente in der Therapie eingesetzt. Einige Medikamente konnten in Studien eine Verbesserung von Symptomen zeigen. Hierbei hatte jedoch eine alte Studie gezeigt, dass diese Wirkung in der Regel nur kurzfristig ist und wahrscheinlich auf die Auswahl der Patienten für die Studie (Eingangskriterien) und die zu kurze Dauer bei chronischem Schmerz zurückzuführen ist. Deshalb sehe ich den Einsatz von Medikamenten beim Fibromyalgiesyndrom und anderen chronischen Schmerzen sehr kritisch. Frederick Wolfe, einer der Verfasser der ACR Kriterien für die Klassifikation des Fibromyalgiesyndroms sieht dies ebenso kritisch und hat dies beim letzten ACR Kongress in Chicago vorgetragen („An 11-Year Longitudinal Study of Pharmacologic Therapy in Fibromyalgia.“). Er fand, dass weiterhin Opioide gegen die Empfehlungen (also wider besseren Wissens) eingesetzt werden. Die Kosten für Medikamente sind gestiegen und trotz veränderter Therapie sind keine signifikanten Veränderungen in Hinsicht auf Schmerz, Müdigkeit oder Funktion feststellbar gewesen.




[MON] 1610An 11-Year Longitudinal Study of Pharmacologic Therapy in Fibromyalgia.Frederick Wolfe1, Brian T. Walitt2, Robert S. Katz3, Yvonne C. Lee4, Kaleb D. Michaud5 and Winfried Häuser6.
1National Data Bank for Rheumatic Diseases, Wichita, KS, 2Washington Hospital Center, Washington, DC, 3Rush University Medical Center, Chicago, IL, 4Brigham and Women’s Hospital, Boston, MA, 5Univ of Nebraska Med Ctr & National Data Bank for Rheumatic Diseases, Omaha, NE, 6Technische Universität München, Munich, GermanyConclusion: Strong and weak opioid use remains high in fibromyalgia despite recommendations against opioids. Switching from inexpensive generic trycyclics to newer and expensive SNRIs and anticonvulsantagents was common. Drug costs increased substantially, but despite changes in therapy, no clinically significant changes in pain, fatigue or function were noted during 11 years of follow-up.


Pregabalin-Studie
An einer Studie zu Pregabalin läßt sich das Problem aufzeigen. Bei der Gruppe mit 150 mg/Tag (13,0%) zeigt sich gegenüber Placebo (13,2%) kein Unterschied, bei der Gruppe mit 300 mg täglich (18,9%) ist ein nicht-signifikanter Unterschied feststellbar und erst bei 450 mg täglich 28,9%) ist ein signifikanter Unterschied festzustellen. Als Besserung wurde eine Verbesserung Wertes der Schmerzskala um mehr als 50% festgelegt. Also hatten 71,1% keine Besserung! Wenn nur eine Nebenwirkung, nämlich den Schwindel betrachtet, zeigt sich ein interessantes Bild: Placebo 14%, 150 mg 30%, 300 mg 42% und 450 mg 65%. Es hatten also ungefähr doppelt so viele Studienteilnehmer über Schwindel geklagt als Wirkung nachweisbar war. Das lohnt also nicht!
(Crofford, LJ, et al. Arthritis Rheum. 2005;52:1264-1273)


Keinen nachweisbaren Effekt hatten übrigens: Opioide (wie Morphium), NSAR (wie Ibuprofen, Diclofenac und viele weitere mehr), Kortikosteroide (Prednisolon und ähnliche), Benzodiazepine und andere Hypnotika, Melatonin, Guainefesin, Dehydroepiandrosteron).




Psychotherapie / Edukation




Hierbei ist anzumerken, dass etwa die kognitive Verhaltenstherapie und weitere mehr in Einzelstudien sehr gut abschneiden, aber nicht doppelblind und in großen Studien konsekutiv durchgeführt werden können, da sie motivationsabhängig sind, d.h. für diejenigen, die für diese Therapie ausgewählt wurden, ist die Chance hoch, auch erfolgreich zu sein.


Komplementäre Therapieverfahren


吴宁而中国的针灸家 – das ist der Hinweis für Gespräche, die ich zur Akupunktur geführt habe. Eine chinesische Ärztin in Düsseldorf sagte mir bereits vor ca. 10-11 Jahren, dass sie Akupunktur nicht bei Fibromyalgie einsetze. Vor einigen Jahren hatten wir eine chinesische Gastärztin bei uns, die auf die Frage sofort in Qingdao beim Chef der TCM in ihrem Krankenhaus angerufen hatte, aber auch der teilte mit, dass sich Akupunktur nicht erfolgreich beim FMS einsetzen lasse. Das verwundert auch nicht, denn Homöopathie, Akupunktur, Reiki und Fußreflexzonenmassage sind Glaubenssysteme und sollten deshalb in der Medizin nicht eingesetzt werden. Ob darüber hinaus jemand in die Kirche zum Beten um Gesundheit geht oder diese Systeme einsetzt, bleibt jedem offen. Die wenigen Studienergebnisse sind jedoch ernüchternd.


Physikalische Therapie




Zusammenfassend aktivierende Methoden bevorzugen: Bewegungsbad, Medizinische Trainingstherapie, funktionelles Training, Walking etc. Wichtig sind zwei Dinge: 1. Schmerz ist nicht Abbruchsgrund und 2. alles im Wohlfühlbereich, das ist der mittlere Bereich. Also das Alles-oder-Nichts-Prinzip soll überwunden werden.


FMS und Diät
Das Fibromyalgiesyndrom ist keine ernährungsbedingte Erkrankung und so verwundert es nicht, dass es keine große Menge von Studien gibt, die einem Zusammenhang von Fibromyalgie und Diät/Ernährung auf den Grund gehen.
Zusammenfassend kann man mit Diät die Behandlung des Fibromyalgiesyndroms nur unterstützen.
Mehr zu Fibromyalgie und Diäten steht in meinem Blog unter: http://rheumatologe.blogspot.de/2012/06/fibromyalgie-und-diaten.html

Serotonin
Serotonin ist ein Botenstoff – ein lokaler Mangel besteht bei Schmerzen, Depression und Schlaflosigkeit.
Reich an Tryptophan oder Serotonin sind: Banane, Dattel, Cashewnuss, Weizenkeime, Sojabohne, Sonnenblumenkerne, Emmentaler, Edamer, Camenbert. Fleisch und Fisch liegen deutlich unter diesen Lebensmitteln. Es gibt jedoch keine Studie, die eine Verbesserung des FMS unter einer Erhöhung der Serotoninzufuhr nachgewiesen hätte.


FMS und Rauchen
Auf dem ACR Kongress 2011 in Chicago wurde eine wichtige Studie zu Rauchen und Fibromyalgie vorgestellt. Es wurde eine höhere Rate an Rauchern unter Fibromyalgiekranken gefunden. Man nimmt an, dass die Patienten Schmerzen und Stress dadurch lindern wollen, aber gerade das Gegenteil tritt ein. Rauchen war assoziiert mit stärkeren Schmerzen, Interferenz [ich werde noch einen deutschen Begriff finden], mehr Angst und Depressivität. Ich habe mich schon immer gegen das Rauchen ausgesprochen, nun aber kann dies auf solider wissenschaftlicher Basis geschehen.
Mehr steht in meinem Blog auf Englisch unter: Link zum Blog  http://t.co/8XbQAskR

Rat an Allgemeinmediziner
Folgende Ratschläge gab ich in einer Fortbildung für Allgemeinmediziner weiter:



Die Chancen, auf die Aus- und Weiterbildung von anderen Ärzten Einfluß zu nehmen sind jedoch sehr beschränkt.


Was hilft in der Therapie?
• Stressbewältigung
• aktivierende Therapiemassnahmen
• Entspannungsübungen
• Gruppentherapie / Gesprächstherapie
• Einstellungs-/Verhaltensänderung
• Konkrete und realistische Ziele für Therapie und Leben festlegen
• „weniger Schmerz“ ist denkbar – „schmerzfrei“ ist unrealistisch
• Konkrete Umsetzung / Terminkalender.


Unsere Ideen zu einer erfogreichen Therapie
• Keine Heilung versprechen, aber Mut machen
• Verzicht auf überflüssige Medikamente
• Hilfe zur Selbsthilfe
• Mit dem Schmerz leben, sich ihm aber nicht ergeben



AWMF-Leitlinie unter http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/041-004k_S3_Fibromyalgiesyndrom_2012-04.pdf (Kurzfassung)
AWMF-Leitlinie unter http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/041-004p_S3_Fibromyalgiesyndrom_2012-04.pdf (Patientenfassung)






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